Glasplatten
fürs Kino

Grafikdesign, Illustration und Kinowerbung am Beispiel der Firma Gebr. Marquardt, Horb

Kellerfund

Mein Name ist Chris Marquardt, ich bin Fotograf und Autor. Bis 2001 führten meine Eltern in meinem Geburtsort Horb ein Bauunternehmen, die Firma Gebr. Marquardt. Über mehrere Generationen hat die Firma viel hoch und tief gebaut, von Bahngleisen über Hallen, Schulen und Fabrikgebäuden bis hin zu ganz normalen Wohnhäusern. Gleichzeitig war die Firma immer auch Baustoffhandel. Es waren zeitweise über 50 Leute beschäftigt.

Kürzlich beim Aufräumen kamen alte Dias zum Vorschein, die einen Aspekt der Firmengeschichte beleuchten:
Die örtliche Werbung.

Angefertigt wurden diese Dias für die Kinowerbung im OLYMPIA-Kino. Als Kind war ich dort in den 1970ern oft selbst gewesen und musste mich während der obligatorischen Werbe-Diashow vor dem Film immer unsäglich langweilen.

Da wurde per Standbild sowohl die kleinstädtische Eisdiele Dolada angepriesen, wie auch die Buchhandlung Reihing um die Ecke. Und selbstverständlich waren da auch Dias der Firma Gebr. Marquardt auf der Leinwand zu sehen.

Was mich damals langweilte, faszinieret mich heute. Denn die Dias erzählen auf ihre Art einen Teil der Geschichte von Horb und von der mittlerweile nicht mehr existierenden Firma meiner Eltern.

Mittelformat auf Glas

Die Herstellung dieser Dias finde ich aus fotografischer und foto-historischer Sicht besonders spannend. Die Glasplatten sind 6x6 Zentimeter groß. Dieses sogenannte Mittelformat fand lange besonders im professionellen Umfeld Verwendung und auch heute sind Mittelformatfilme (Format 120) noch in diversen Variationen erhältlich und in Liebhaberkreisen gebräuchlich.

Der Illustrator hat die Vorlage wahrscheinlich erst im Großen gestaltet, auf einem Zeichentisch, unter Nutzung von Fotos, von farbigem Papier, Buchstabenvorlagen, farbigen Folien und verschiedenem Zeichenwerkzeug.

Die Vorlage wurde dann abfotografiert, entweder direkt auf das Glas-Dia oder über den Umweg eines Negativs.

Danach wurden mit Lupe, feinem Pinsel und Eiweißlasur noch Details retuschiert.

Am Ende bekam die beschichtete Seite der Glas-Dias noch Schutz durch eine zweite dünne Glasplatte. Das Päckchen wurde dann am Rand mit Gewebeklebeband verschlossen und war damit fertig für die Handhabung und für die Projektion im OLYMPIA-Kino.

Gestaltet und erstellt wurden diese Dias von Grafiker und Illustrator Günther Schwalbe, Vertrieb von Werbedias aller Art – Klischees – Werbe-Entwürfe, aus Faurndau bei Göppingen.

Die Dias wurden gut verpackt in genau passenden Pappschächtelchen verschickt und per Nachnahme bezahlt. Zunächst fünfundzwanzig Mark und fünf Pfennige, später fünfunddreißig Mark sechsunddreißig. Drei dieser Schachteln mit insgesamt 14 Dias sind auf dieser Seite dokumentiert.

Die Schriften, die knalligen Farben, die Grafiken und das Layout sprechen eine wunderschöne Sprache ihrer Zeit. Die 1960er und die frühen 70er lassen grüßen.

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